Unter NS-Raubgut versteht man beispielsweise Bücher, die politisch, religiös oder rassistisch verfolgten Personen und Institutionen geraubt und entzogen wurden. Als Raubgut gelten auch Bücher oder Kunstgegenstände, die aufgrund des allgemeinen Verfolgungsdrucks und der Zwangslage unter Wert verkauft werden mussten.
Kulturgüter wie Bücher wurden nicht nur aus Bibliotheken und Kultureinrichtungen jüdischer Gemeinden geraubt. Auch die Bibliotheken von Freimaurerlogen, Arbeiterbüchereien von Gewerkschaften oder Sammlungen von Privatpersonen wurden geplündert und beschlagnahmt. Bibliotheken und Bibliothekar*innen agierten hierbei häufig als zentrale Sammelpunkte, die mit ihrer Expertise bei der Bewertung und Verteilung dieser Bestände berieten.
Um zu überprüfen, ob sich solches Raubgut in den Beständen von Kultureinrichtungen befindet, haben sich die deutschen Kommunen und Länder sowie große Kultureinrichtungen in einer gemeinsamen Erklärung verpflichtet, ihre Bestände zu überprüfen und zu diesem Zweck Provenienzforschung zu betreiben.
Die Provenienzforschung untersucht die Herkunft und den oder die Besitzerwechsel einzelner Kulturgüter. Dabei interessiert nicht nur, wem die Bücher gehörten, bevor sie in die Universitätsbibliothek kamen – zum Beispiel durch Kauf oder Schenkung – sondern auch, unter welchen Umständen der Besitzerwechsel erfolgte und welche Institutionen daran beteiligt waren, zum Beispiel Gliederungen der NSDAP wie SA oder SS, Einrichtungen der Polizei und Justiz, Finanzämter oder Antiquar*innen und Kunsthändler*innen.
Die historischen Sammlungen der Universitätsbibliothek Mannheim setzen sich im Wesentlichen aus den Beständen der Handelshochschule Mannheim und der Wissenschaftlichen Stadtbücherei Mannheim auf. Hinzu kamen zahlreiche Übernahmen unter anderem aus der Kunsthalle Mannheim, der Harmoniegesellschaft, den Städtischen Volksbüchereien oder auch der Städtischen Amtsbücherei.
Diese komplexe Bestandsgeschichte bildet den Hintergrund des Provenienzforschungsprojektes. Ein Beispiel für diese Zusammenhänge stellen die Bücher der Bernhard-Kahn-Lesehalle in den Beständen der UB dar. Nach derzeitigem Kenntnisstand gelangten diese Bücher als Schenkungen der Städtischen Volksbücherei in den Bestand.
Die Lesehalle wurde kurz nach der Machtübernahme 1933 geschlossen und ihre Bücher in die Städtische Volksbücherei eingegliedert. Der nationalsozialistische Fokus der Volksbücherei resultierte darin, dass zahlreiche Exemplare fremdsprachiger Belletristik ausgesondert und an die Schlossbibliothek überreicht wurden.
Diese Zuammenhänge aufzuklären und dabei erfolgtes Unrecht nach Möglichkeit zu restituieren, ist die Aufgabe des Forschungsprojekts.